40 Stunden an der Spree

Cantaloop Hamburg

40 Stunden an der Spree

Chorfestivals haben wir in den vergangenen Jahren einige besucht. Sonnenverwöhnt und euphorisch: Das deutsche Chorfest in Stuttgart. Nordisch-entspannt: Das Aarhus Vocal Festival. Für 2019 ergänzen wir: Lässig, inspirierend und ungemein engagiert – das ist Total Choral in Berlin! Und wir hatten die Ehre, dabei sein zu dürfen.
Aber von Anfang an.
Aus allen Ecken der Hansestadt machen sich an einem trüben Freitagnachmittag rund 35 Loopies in diversen (verspäteten) Zügen und Fahrgemeinschaften auf den Weg Richtung Osten. Das Ziel: Ein ehemaliges Kino in einer ruhigen Wohnstraße in Berlin-Charlottenburg. Seit 1980 als Café Theater Schalotte einer der Hotspots für Stadtteil- und Kiezkultur. In diesen Wochen für wahrlich stimm- und stimmungsvolle Begegnungen im Rahmen von Total Choral. Und – das kann man gar nicht oft genug herausstellen – das gesamte Programm von einem tollen Team mit viel Herzblut komplett ehrenamtlich auf die Beine gestellt! Geradezu grandios!

Beeindruckt starten wir in den ersten Abend, ergattern Pizza und Sushi aus der Nachbarschaft, bevor der Jäzzchor mit ä, unser erster Duettpartner, die Bühne entert. Ein Chor, der sich, abseits des Mainstreams, spannendem Repertoire verschrieben hat, etwa jenem osttdeutscher Liedermacher. Und der gekonnt Statements zur heutigen Zeit platziert. Unaufgeregt und mit viel Spaß bei der Sache! Von der Empore aus haben wir genau den richtigen Blick aufs Geschehen und übernehmen nach der Pause den Staffelstab zu Runde zwei.

IMG_2022Wie es sich gehört, haben wir für Berlin eine Weltpremiere mitgebracht. „Love 2 the 9´s“ aus der Feder von Prince, frisch aufgepeppt von Daniel Mattar, der Popsongs zu wahren Chor-Werken zu wandeln versteht.
In der „Schalotte“ hält man sich auch nach dem Konzert noch gerne auf, erfreut sich an guten Gesprächen, der „Tauschwerttabelle“ über der Theke (anderswo hätte man diese wohl schnöde „Preisliste“ genannt) und den im Hamburger Vergleich sehr entspannten Summen darauf.
Aber, hey, wir sind in Berlin! Folgerichtig zieht eine unerschrockene Gruppe noch weiter in die Nacht. Andere betten sich bei Berliner Chor-Kumpanen (herzlichen Dank für die Gastfreundschaft!), bei Freunden und Verwandten, denn der Tag war lang.

Den Samstagvormittag verbringen wir individuell. Schlafen bis elf. Frühstücken um eins. Currywurst in Kreuzberg. Käffchen in Mitte. Und dann um zwei: „Cantaloop-rainy day-Kurzkonzerte“ für alle, die mögen, in den Hackeschen Höfen. Sonne wäre zwar auch schön gewesen, aber als Hanseaten sind wir nichts anderes gewohnt. Vorteil: Die spontanen Zuhörer flüchten nur zu gerne in die trockenen Hofeinfahrten, in denen wir uns aufgereiht haben. A cappella plus Werbeblock: „Heute Abend Konzert in der Schalotte – vielleicht habt ihr ja kurzfristig nichts vor?“
Abends ist der Saal tatsächlich noch voller als am Tag zuvor. Heute mit von der Partie: die mongrooves, die wir bereits beim Chorfest in Stuttgart kennenlernen durften. Dieser Chor groovt in der Tat- und hat für uns einiges an Inspiration im Gepäck (allein schon die Rhythmus-Einlagen bei John Farnhams „You´re the voice“- großartig!). Wir fühlen uns am zweiten Tag fast schon wie zu Hause und schweben barfuß durch eine weitere knappe Stunde Programm. Auch heute ist der Abend mit dem letzten Ton nicht vorbei. Noch gegen Mitternacht ertönen Chorklänge aus einem Brauhaus unweit des Schlosses Charlottenburg. Und auch für folgende Momente lieben wir diese Stadt:

Loopie zum Kellner: „Wenn wir jetzt eine Zugabe singen, nehmen Sie dann noch eine Runde Getränke auf?“
Kellner (mit Berliner Schnauze): „Wir machen um zwölf zu.“
Loopie: „Wie spät ist es denn jetzt?“
Kellner (mit noch mehr Berliner Schnauze): „Kurz nach eins.“
Berlin, wir kommen gerne wieder. Und das nicht erst in zehn Jahren!

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